CASE STUDY

Universität Kassel Lehrstuhl für Sustainable Finance

Autoren: Julia Eckert, Maurice Dumrose, Christian Klein und Bernhard Zwergel (Datum: 26.05.2023)

Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz in der Praxis

Seit dem 2. August 2022 müssen gemäß MiFID II in der Anlageberatung die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kund:innen erfragt und bei der Geeignetheitsprüfung entsprechend berücksichtigt werden.1 Die Sparkassen-Finanzgruppe hat bereits seit Mai 2020 und damit weit vor dieser regulatorischen Pflicht eine einfache Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz in die Beratungsprozesse integriert.2 Die Einführung dieser Abfrage wurde wissenschaftlich vom Lehrstuhl für Sustainable Finance der Universität Kassel (Prof. Dr. Christian Klein) begleitet, um die Auswirkungen auf den Anlageberatungsprozess zu analysieren.3

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass die systemseitig integrierte Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz insgesamt positive Auswirkungen auf die zukünftige Marktentwicklung für Nachhaltige Geldanlagen haben dürfte.4 Die Aufklärungsarbeit, die die Beratung leistet, ist für Kund:innen aufgrund des schlechten Wissens- und Informationsstands von zentraler Bedeutung: „[…] Bei Nachhaltigen Geldanlagen habe ich wirklich bei meinen Kunden das Gefühl, dass sie gar nicht verstehen, was das ist, sondern tatsächlich die Erklärung brauchen […].“5 Interessanterweise zeigt die Studie in diesem Zusammenhang allerdings auch, dass zumindest für einen Teil der Kund:innen die Möglichkeit, Nachhaltigkeitsaspekte beim Investieren zu berücksichtigen, dazu beitragen kann, Ängste vor Investitionen am Kapitalmarkt zu überwinden: „Manche sagen tatsächlich: „Okay, wenn ich mit meinem Geld parallel irgendwo was Gutes bewirken kann […] dann bin ich auch bereit, Schwankungen in Kauf zu nehmen.“6 Allerdings identifiziert die Studie auch einige Barrieren, die die Beratenden daran hindern, vollumfänglich ihre Rolle als Intermediäre in diesem Themenfeld einzunehmen.7

Berater und Beraterinnen berichten aus den Gesprächen, dass ein Teil der Kund:innen tatsächlich einen Impact mit ihrer Investition in eine Nachhaltige Geldanlage erzeugen will: „[…] Kunden ist das mit der Wirkung extrem wichtig […].“8 Allerdings kann diese Wirkung häufig im Beratungsgespräch nicht aufgezeigt werden: „Das ist natürlich schon sehr schwierig, das dann zu belegen mit diesem Impact-Ansatz.“9 Ein weiteres Problem kann für die Anlageberatung aus dem Angebot an Nachhaltigen Gelanlagen am Markt resultieren.10 Beratende bemängelten das zum Zeitpunkt der Untersuchung noch sehr begrenzte Angebot: „Beim Angebot bin ich der Meinung, da könnte noch mehr passieren. Da sehe ich noch Verbesserungsbedarf.“11 Zudem kann das Thema Greenwashing für die Beratung ein Problem darstellen, da hier das Risiko eines Vertrauensverlusts gesehen wird.12

Mit Blick auf die seit August 2022 geltende, mehrstufige Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen gemäß MiFID II zeigt die vorliegende Untersuchung (siehe Abbildung 1), dass ein Teil der befragten Berater und Beraterinnen die regulatorisch vorgegebene Abfrage viel zu komplex findet. Zudem wird an der Praxistauglichkeit der regulatorischen Vorgaben gezweifelt: „Wenn ich diese Fragen, […] meine Kunden frage, dann fragen die mich allen Ernstes, [..] was ich von ihnen will. Also diese Fragen können mir […] 99 Prozent nicht sinnvoll beantworten.“13

Abbildung 1: Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz gemäß MiFID II

Quellen

1 Vgl. BaFin (2022) Nachhaltigkeit: Präferenzen der Kundinnen und Kunden beachten. Zugriff 15.04.2023. https://www.bafin.de/SharedDocs/Veroeffentlichungen/DE/Meldung/2022/meldung_2022_08_02_nachhaltigkeit.html.
2 Vgl. Klein, C.; Zwergel, B.; Eckert, J. und Dumrose, M. (2022) Regulatorischeund systembedingte Barrieren im Bereich Nachhaltige Geldanlagen in der Anlageberatung im Retail Banking - Eine qualitative Analyse aus der Perspektive des Anlageberaters. Kobra Uni Kassel. Kassel.
https://doi.org/doi:10.17170/kobra-202208036572.
3 Vgl. ebd. Anmerkung: Im Rahmen dieses Forschungsprojekts wurde auf einen explorativ-qualitativen Forschungsansatz zurückgegriffen und mit 31 Anlageberater:innen der Sparkassen-Finanzgruppe semi-strukturierte Interviews in dem Zeitraum von April bis Juni 2021 geführt.
4 Vgl. ebd.
5 Vgl. ebd. (Int. 13 Pos. 52).
6 Vgl. ebd. (Int. 16 Pos. 153).
7 Vgl. ebd.
8 Vgl. ebd. (Int. 9 Pos. 172).
9 Vgl. ebd. (Int. 18 Pos. 244).
10 Vgl. ebd.
11 Vgl. ebd. (Int. 30, Pos. 211).
12 Vgl. ebd.
13 Vgl. ebd. (Int. 26, Pos. 289).


Autoren

Julia Eckert (Projektleitung), wissenschaftliche Mitarbeiterin/Doktorandin am Lehrstuhl für Sustainable Finance, hat ihren Forschungsschwerpunkt auf die Analyse des Verhaltens privater und institutioneller nachhaltiger Investoren, der Rolle der Anlageberatung, Impact Investing sowie Finanzmarktregulierung insbesondere EU-Taxonomie, SFDR und MiFID II, ausgerichtet.

Maurice Dumrose, wissenschaftlicher Mitarbeiter/ Doktorand am Lehrstuhl für Sustainable Finance, hat seinen Forschungsschwerpunkt auf die Analyse klima- und umweltbezogener Risiken von Finanztiteln sowie dem Anlegerverhalten von Retail- Investoren und Nachhaltigkeitslabels und -ratings ausgerichtet.

Christian Klein, Professor für Sustainable Finance (Universität Kassel) und Mitbegründer der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance, beschäftigt sich in seiner Forschung unter anderem mit dem Anlageverhalten nachhaltiger Investoren, den Eigenschaften nachhaltiger Geldanlagen, insbesondere Impact Investments, sowie den Auswirkungen von Nachhaltigkeit auf den Kapitalmarkt.

Bernhard Zwergel, wissenschaftlicher Mitarbeiter/ Post-Doc am Lehrstuhl für Sustainable Finance, beschäftigt sich im Rahmen seiner Forschung insbesondere mit der Analyse des Verhaltens privater und institutioneller nachhaltiger Anleger sowie der Messung der Performance und der Gestaltung nachhaltiger Portfolios, Fonds und Indizes.