Schwerpunktanalysen

Vertrieb

In den letzten Jahren hat die Nachfrage nach nachhaltigen Geldanlagen in Deutschland und Österreich stark zugenommen. Eine Reihe von Regulierungen und Initiativen auf EU-Ebene hat diese Entwicklung stark vorangetrieben, gleichzeitig aber viele Fragen am Markt aufgeworfen. Insgesamt zeichnen die Befragten ein positives Bild ihrer internen Umsetzung von MiFID II: 80 Prozent der Befragten ist mit der internen Umsetzung der MiFID-II-Anforderungen zufrieden oder sehr zufrieden.

Grafik 6.1: Verbesserungsmöglichkeiten im Vertrieb von Nachhaltigen Anlageprodukten (in %; n: 44)

Die Finanzmarktteilnehmer wählten für die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz unterschiedliche Vorgehensweisen. In 65 Prozent der Fälle - und damit am häufigsten - wurde eine hausinterne Vorgehensweise erarbeitet, 40 Prozent griffen auf Hilfestellungen ihres Branchenverbandes zurück, meist in Kombination mit einer hausinternen Vorgehensweise. 15 Prozent nutzten den vom FNG entwickelten Leitfaden zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenz. Was die Umsetzung von MiFID II in der Beratung angeht, ergibt sich ein geteiltes Bild. Die Hälfte der Befragten ist skeptisch, ob die Kund:innen ihre Präferenzen im Rahmen der geltenden Vorgaben klar äußern können.

Bemerkenswert ist, dass zwei Drittel der Befragten in der oft beklagten Einschränkung des Investmentuniversums nach Angabe einer Nachhaltigkeitspräferenz eher kein Hindernis sehen und davon ausgehen, dass sich Nachhaltigkeit dennoch weiter durchsetzen wird.

Über mögliche Verbesserungen bei der Umsetzung für Anleger:innen sind sich die befragten Finanzmarktteilnehmer hingegen weitgehend einig. Am drängendsten erscheinen die Vereinfachung der Abfrage, die Förderung von „Sustainable Finance Literacy“ sowohl auf Kund:innen- als auch Berater:innenseite und die Förderung der Bekanntheit von Nachhaltigkeitssiegeln.

Unter den Teilnehmenden besteht die Auffassung, dass der Datenerhebungs- und Implementierungsaufwand, um Produkte als nachhaltig gemäß MiFID II anbieten zu können, durchweg hoch ist. In den qualitativen Antworten wird bestätigt, dass klare Vorgaben für die Einordnung nach Art. 2 (17) OffVO und die Angabe von Principle Adverse Impact Indicators (PAIs) fehlen. Zum Zeitpunkt der Befragung war die Verfügbarkeit von Taxonomiedaten begrenzt und vier Taxonomieziele waren noch nicht ausdefiniert – daher spielten Taxonomieprodukte in der Vertriebspraxis bisher eine untergeordnete Rolle.

Selbstverpflichtungen und Investorenzusammenschlüsse

Das Pariser Klimaabkommen weist dem Finanzsektor eine Schlüsselrolle bei der Eindämmung des Klimawandels zu. Eine Möglichkeit für Finanzunternehmen, zur Erreichung der Klimaziele beizutragen, ist ihr Portfolio klimaneutral zu gestalten.

Dabei sind Finanzakteure zunehmend gewillt, nicht nur auf Klimaneutralität hinzuarbeiten, sondern sich auch den Herausforderungen durch den Verlust an Biodiversitäts- und Ökosystemleistungen zu stellen. Einen Rahmen bieten der Zusammenschluss mit anderen Finanzakteuren und das Eingehen von Selbstverpflichtungen.

Net-Zero-Verpflichtungen sind zwar noch die Ausnahme, jedoch haben sich 10 Prozent der Befragten durch Beitritt zu einem Investorenzusammenschluss Klimaneutralität als Ziel gesetzt.

Unabhängig davon hat mit 20 Finanzunternehmen ein Viertel – zum Teil ohne Beitritt zu einem Investorenzusammenschluss – bereits ein konkretes Ausstiegsdatum aus der Finanzierung fossiler Energieträger festgelegt oder den Ausstieg bereits umgesetzt.

Grafik 6.2: Anzahl der Unternehmen mit (geplanten) Ausstiegen aus der Finanzierung fossiler Energieträger (n: 20)

Etwas weniger als die Hälfte der Befragten geben an eine Analyse des eigenen Portfolios hinsichtlich der Konformität mit dem Pariser Klimaabkommen durchzuführen, wobei unterschiedliche methodische Ansätze Anwendung finden. Von den Finanzunternehmen, die eine solche Analyse durchführen, nutzt wiederum die Hälfte Science Based Targets (SBTs), eine Methode, mit der die Paris-Konformität von investierten Unternehmen bestimmt werden kann. Mit anderen Methoden lässt sich darstellen, welchen Temperaturanstieg ein Portfolio zur Folge haben könnte, etwa mit dem Implied Temperature Rise (ITR), der von einem Viertel dieser Finanzunternehmen genutzt wird. Die Methodik der Transition Pathway Initiative untersucht die Fortschritte von Unternehmen bei der Transition hin zu einer CO2-armen Wirtschaft – sie wird von 20 Prozent der Finanzunternehmen, die ihr Portfolio auf Paris-Kompatibilität analysieren, genutzt.

Grafik 6.3: Portfolioanalysen nach Kompatibilität mit dem Pariser Klimaabkommen - Gewählte Methodiken und Anbieter (n: 25; Mehrfachnennung möglich)

Des Weiteren finden laut den Angaben der Befragten auch emissionsbasierte Metriken Anwendung (ca. 40 Prozent). Der Portfolio Carbon Footprint und die Erfassung absoluter Emissionen stellen dabei die meistgenutzten Methoden dar.
Während Finanzunternehmen bereits Net-Zero Verpflichtungen eingegangen sind, haben sich die Befragten noch nicht zu gemeinsamen Zielen zum Schutz der Biodiversität verpflichtet – etwa durch den Beitritt zu relevanten Netzwerken (z. B. TNFD oder Finance for Biodiversity).
Allerdings gibt ein Fünftel der Befragten an, Biodiversitätsrisiken in ihren Investmentgrundsätzen auf Institutsebene zu thematisieren und diese auch in der Portfolioanalyse zu berücksichtigen. Auf relevante Biodiversitäts-KPIs zur Portfoliosteuerung wird dagegen gegenwärtig nur von weniger als 10 Prozent der Befragten zurückgegriffen.

Engagement

2022 befragte das FNG zum ersten Mal die Marktteilnehmer über deren Engagement-Aktivitäten. Engagement beinhaltet einerseits den Dialog mit Unternehmen mit dem Ziel, die Unternehmensführung für die Berücksichtigung von sozialen, ethischen und ökologischen Kriterien zu gewinnen (Voice), sowie andererseits die Ausübung von Stimmrechten (Vote).

Insbesondere im Zuge der Wirkungsdebatte gewinnt Engagement immer mehr an Bedeutung. Die befragten Finanzunternehmen sind sich einig, dass Engagement – neben Impact Investments – die wirkungsvollste Strategie ist, um zur Transformation hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft beizutragen.

Bemerkenswert: Engagement als eine vielversprechende Nachhaltigkeitsstrategie findet auch im Bereich der verantwortlichen Investments Anwendung. Insgesamt befinden sich 1,4 Billionen Euro in Deutschland und Österreich in Portfolios, für die die Anlagestrategie Engagement angegeben wurde. Wichtig zu berücksichtigen ist, dass diese Strategie in großem Umfang Personalressourcen bindet, weshalb sich aktives Engagement immer nur auf einen kleinen Teil eines Portfolios beschränkt.

Eine öffentlich einsehbare Engagement-Richtlinie, die Angaben zu den Eskalationsstufen enthält, kann die Transparenz erhöhen. Rund die Hälfte der befragten Finanzunternehmen, die Engagement betreiben, gibt an, bereits eine solche Richtlinie zu haben.

Ihre eigenen Engagement-Aktivitäten gestalten die befragten Finanzunternehmen sehr unterschiedlich. Die folgende Grafik gibt Aufschluss darüber, wie verbreitet die verschiedenen Elemente des Engagement-Prozesses im Markt derzeit sind. Die 1,4 Billionen Euro in Portfolios, deren Assets für Engagement in Frage kommen, lassen sich in der Erhebung des FNG nach der Detailtiefe des Engagements weiter ausdifferenzieren (siehe Grafiken 6.4 und 6.5).

Die Befragung deutet darauf hin, dass Unternehmensdialoge überwiegend zu den Themen Klima und Biodiversität geführt werden. Die Stimmrechtsausübung wird laut Befragung vorwiegend dafür eingesetzt, die Governance der Unternehmen zu verbessern und Transparenz zu fördern.

Nur einige wenige befragte Finanzunternehmen (17 Prozent in Deutschland und 22 Prozent in Österreich) nutzen externe Dienstleister für ihre Engagement-Aktivitäten. 25 Prozent der Finanzunternehmen in Deutschland sowie 27 Prozent in Österreich kollaborieren mit anderen Akteuren - etwa über Zusammenschlüsse wie Shareholders for Change oder die Plattfform von PRI und Climate Action 100+.

Grafik 6.4: Engagement Skala - Bestandteile der Engagementrichtlinien in Deutschland23

Grafik 6.5: Engagement Skala - Bestandteile der Engagementrichtlinien in Österreich24

Impact Investments in Deutschland und Österreich

Bei Impact Investments handelt es sich um Investitionen, die neben einer finanziellen Rendite auch einen positiven Beitrag zur Lösung von ökologischen und/oder sozialen Problemen leisten. Zusätzlich müssen nach der Definition des FNGs folgende Merkmale erfüllt sein:

1. Intentionalität: Mit dem Investment wird beabsichtigt, zu einer nachhaltigen Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft beizutragen.

2. Zusätzlichkeit: Der positive Beitrag des Investments – zum Beispiel zu den Sustainable Development Goals (SDGs) beziehungsweise zur EU-Taxonomie – soll signifikant sein und glaubhaft dargelegt werden. Mögliche negative Beiträge sind hierbei auch zu berücksichtigen.

3. Wirkungskanäle: Die (direkten oder indirekten) Wirkungskanäle des Investments sollen erläutert werden.

4. Messbarkeit: Der positive Beitrag muss anhand messbarer Kriterien - zum Beispiel SDGs, EU-Taxonomie beziehungsweise Governance-Kriterien - dargelegt werden.

5. Transparenz: Über den positiven Beitrag muss transparent berichtet werden.

Grafik 6.6: Wahrgenommene Hemmnisse im Bereich Impact Investments (in %; n: 55)

Nachdem das FNG in diesem Jahr erstmalig seine neue Definition zu Impact Investments im Fragebogen anwandte, beträgt das Volumen über beide Märkte hinweg 6,3 Mrd. Euro. Die Definition wurde in der FNG-Arbeitsgruppe Impact erarbeitet. Der wesentliche Unterschied zur vorherigen Definition sind die fünf Merkmale. Der Rückgang des Volumens von Impact Investments im Vergleich zum Vorjahr kann darauf hindeuten, dass Investoren aufgrund von fehlenden Daten ihre Assets umdeklariert haben und der daraus resultierenden erschwerten Messbarkeit sowie fehlender regulatorischer Klarheit. Diese Aspekte wurden ebenfalls als größte Hemmnisse im Bereich Impact Investments identifiziert, neben einem fehlenden Markt- und Reportingstandard sowie Impact- und Greenwashing.

Die meisten Befragten bewerten den strategischen Stellenwert von Impactmessung und -steuerung bei der Gestaltung von Finanzprodukten als wichtig (60 Prozent) und sogar 36 Prozent als sehr wichtig – dies entspricht einer Steigerung im Vergleich zum Vorjahr.

Grafik 6.7: Strategischer Stellenwert von Impactmessung und -steuerung bei der Gestaltung von Finanzprodukten in Deutschland und Österreich (in %; n: 53)

Auf die Frage, welche Ansätze zur Impactmessung genutzt werden, verweisen die Befragten überwiegend auf die SDGs sowie die Taxonomie. Ebenfalls eingesetzt werden die Operating Principles for Impact Management, IRIS+ des GIIN und der Global GHG Accounting and Reporting Standard vom Partnership for Carbon Accounting Financials. Das zeigt: aktuell nutzt der Markt vielfältige Ansätze zur Impactmessung. Darüber hinaus gibt die Hälfte derjenigen, die ihren Impact messen an, dies von einer „Second-Party-Opinion“ bestätigen zu lassen.

Grafik 6.8: Gewählte Ansätze zur Impactmessung (in %; n: 40; Mehrfachnennung möglich)

Was die Berichterstattung zu Impact Investments betrifft, herrscht ebenfalls noch keine Einigkeit darüber, in welcher Form diese Berichterstattung erfolgen sollte. Bei 40 Prozent der Befragten, die angeben, einen Impact-Ansatz zu verfolgen, findet im Rahmen der ESG-Berichterstattung und im jährlichen Rhythmus eine Offenlegung über die Wirkung der Investitionen statt. 21 Prozent der Anbieter verfolgen sogar den Ansatz, in monatlichen Impact-Reportings die geleistete Wirkung ihrer Investitionen darzulegen.

Die aktuelle Datenlage zur Impactmessung wurde in den Bereichen Umwelt (E) und (G) besser als im Bereich Soziales (S) eingeschätzt.

Grafik 6.9: Einschätzung der aktuellen Datenlage zur Impactmessung in den Bereichen Umwelt (E), Soziales (S) und Governance (G) in Deutschland und Österreich (in %; n: 55)