ESG-Strategien im Überblick - Chancen und Limitationen

Das Thema Greenwashing beschäftigt die Sustainable Finance-Branche seit geraumer Zeit. Das FNG definiert  Greenwashing als die Praxis der Irreführung von Finanzmarktakteuren und Anleger:innen, insbesondere (aber nicht  ausschließlich) im Zusammenhang mit der Erlangung eines unlauteren Wettbewerbsvorteils, indem eine unbegründete ESG-Behauptung über ein Finanzprodukt oder eine Finanzdienstleistung aufgestellt wird (angelehnt an die Definition der ESMA Securities and Markets Stakeholder Group)1.

Es ist zu unterscheiden zwischen Fällen, in denen eine objektive Falschaussage vorliegt (Greenwashing) und Fällen, in denen subjektive Meinungen dazu, was nachhaltig ist, aufeinandertreffen. Letzteres kann zu Greenwashing-Vorwürfen führen. Greenwashing-Risiken lassen sich durch mehr Transparenz auf Seiten der Anbieter sowie das Erwartungsmanagement bei Kund:innen vorbeugen. Dazu gehört auch die Darstellung von Chancen und Limitationen der angewandten Nachhaltigkeitsstrategien.

Negative Screening-Methoden:

Zu den negativen Screening-Methoden gehören Ausschlusskriterien und normbasiertes Screening.

Ausschlusskriterien dienen dazu, Unternehmen oder Staaten vom Investmentuniversum auszuschließen, weil sie  bestimmten Geschäftsaktivitäten nachgehen oder bestimmte soziale, ökologische und governancebezogene  Kriterien nicht erfüllen und daher den Wertvorstellungen von Investor:innen nicht entsprechen.

Das normbasierte Screening überprüft Investments nach ihrer Konformität mit bestimmten internationalen Standards und Normen, z. B. dem UN Global Compact, den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen oder den ILO-Kernarbeitsnormen.

Chancen: Negative Screening-Methoden ermöglichen, das Portfolio nach den Wertvorstellungen von Finanzunternehmen und Anleger:innen zu gestalten. Durch Ausschlüsse können außerdem kontroverse Sektoren vermieden und folglich Reputations- und Klagerisiken gemindert werden.

Limitationen: Durch Ausschlüsse werden Unternehmen, die noch nicht nachhaltig wirtschaften, aus dem  Investmentuniversum ausgeschlossen – auch dann, wenn diese Unternehmen auf eine Transformation hinarbeiten. In der Praxis wird außerdem oft mit Umsatzschwellen gearbeitet: Beispielsweise kann für Kohle ein Umsatz von 5 Prozent toleriert werden. Deshalb können auch trotz Anwendung von Ausschlüssen „strittige“ Unternehmen Teil des Portfolios sein. Das kann zwischen Produktanbietern und Nachfragenden zu Missverständnissen führen.

Positive Screening-Methoden:

Zu den positiven Screening-Methoden gehören der Best-in-Class-Ansatz, die ESG-Integration sowie Themenfonds.

Best-in-Class bezeichnet die Anlagestrategie, nach der – basierend auf ESG-Kriterien – die besten Unternehmen innerhalb einer Branche, Kategorie oder Klasse ausgewählt oder gewichtet werden, also diejenigen, die im Branchenvergleich in ökologischer, sozialer und ethischer Hinsicht die höchsten Standards setzen. Hierbei gibt es verschiedene Methoden: z. B. die Auswahl der besten 30 Prozent oder Ausschluss der schlechtesten 5 Prozent.

Chancen: Auch Unternehmen, die (noch) nicht nachhaltig sind, aber verglichen mit Wettbewerbern der gleichen  Branche anhand bestimmter ESG-Kriterien besser abschneiden, sind nach diesem Ansatz investierbar. So können Unternehmen bei der Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit begleitet werden. Durch den Ausschluss der „schlechtesten“ Unternehmen einer Branche, Kategorie oder Klasse können außerdem Nachhaltigkeitsrisiken
im Portfolio vermindert werden.

Limitationen: Eine Anpassung an Wertvorstellungen von Finanzunternehmen und Anleger:innen findet bei alleiniger Anwendung des Ansatzes nicht in gleichem Maße statt wie bei den negativen Screening-Methoden. Auch können falsche Erwartungen entstehen, wenn keine genauen Informationen bereitgestellt werden, wie das Best-in-Class-Segment bestimmt wird.

Die ESG-Integration ist im Wesentlichen ein Risikoansatz, der sozial-ökologische Risiken finanziell bewertet. Dabei werden ESG-Kriterien bzw. -Risiken in die traditionelle Finanzanalyse einbezogen. Dies kann sowohl auf Produktebene als auch auf institutioneller Ebene geschehen. Hierbei ist zu beachten, dass Finanzprodukte, bei denen ein ESG-Integrationsansatz auf institutioneller Ebene besteht, nicht als nachhaltige Finanzprodukte, sondern als verantwortliche Investments gelten. Bei nachhaltigen Geldanlagen müssen die ESG-Kriterien explizit in den Produktdokumenten festgelegt sein.

Chancen: Durch den Ansatz werden Nachhaltigkeitsrisiken berücksichtigt, was zu einem besseren Risiko-Rendite-Profil beitragen kann.

Limitationen: Es liegen Unterschiede in der Ausgestaltung einzelner ESG-Integrationsstrategien vor. Missverständnisse können entstehen, wenn nicht ausreichend dargelegt wird, dass die ESG-Integration vor allem ein Risikoansatz ist und inwiefern es sich nur um eine oberflächliche Anwendung des Ansatzes oder eine tiefgehende Analyse handelt.

Themenfonds beziehen sich auf einen einzelnen Sektor. Um als Nachhaltige Geldanlage betrachtet zu werden, müssen themenspezifische Fonds eine ausdrückliche nachhaltige Motivation nachweisen und dabei ESG-Faktoren in die Ausgestaltung des Fonds einbeziehen. Dies setzt die Existenz bestimmter Mechanismen voraus, etwa die Einbindung von nachhaltiger Expertise in die Auswahl von Aktien, die Anwendung von ESG-Kriterien oder das  Management des Produkts durch ein Team, das auf Nachhaltige Geldanlagen spezialisiert ist. Gängige Branchen für Themenfonds sind: „grüne“ Immobilien, erneuerbare Energien / Energieeffizienz, nachhaltige Rohstoffe,  Mikrofinanzierung sowie Investitionen in soziale Projekte, Kultur oder Bildung.

Chancen: Anleger:innen ist es möglich, entsprechend ihren Wertvorstellungen zielgenau in Branchen zu investieren.

Limitationen: Themenfonds gehen mit einer Einschränkung des Investmentuniversums zu Lasten der Diversifikation einher. Klumpenrisiken sind eine mögliche Folge. Die Einschätzung von Risiken kann insbesondere bei sich entwickelnden Branchen und Geschäftsmodellen schwerfallen.

Weitere Strategien:

Engagement beschreibt den aktiven und langfristigen Dialog von Investor:innen mit Unternehmen oder Staaten mit dem Ziel, die Verantwortlichen für die Berücksichtigung sozialer, ethischer und ökologischer Kriterien zu gewinnen (Voice). Engagement beinhaltet auch die Stimmrechtsausübung auf Hauptversammlungen und Aktionärsanträge (Vote).

Chancen: Engagement gilt unter bestimmten Bedingungen als effektiver Weg, Verantwortliche von Unternehmen oder Staaten zu beeinflussen. Bei keiner anderen Nachhaltigkeitsstrategie setzen sich Investor:innen so unmittelbar mit einzelnen Investitionsobjekten auseinander.

Limitationen: Die Qualität des Engagements ist von außen nur schwer zu beurteilen, da Dialoge in der Regel im vertraulichen Rahmen stattfinden. Die alleinige Angabe, dass Engagement-Aktivitäten unternommen werden, sagt nichts über deren Wirksamkeit aus. Bislang gibt es keinen Konsens, welche Merkmale effektives von ineffektivem Engagement unterscheiden.

Bei Impact Investments handelt es sich um Investitionen, die neben einer finanziellen Rendite auch einen positiven Beitrag zur Lösung ökologischer und/oder sozialer Probleme leisten. Impact Investments zeichnen sich durch die Merkmale Intentionalität, Zusätzlichkeit, Messbarkeit und Transparenz aus, zudem sollen (direkte oder indirekte) Wirkungskanäle erläutert werden.

Chancen: Mit Impact Investments kann ein Beitrag zur Lösung ökologischer und/oder sozialer Probleme geleistet und zur Transformation der Wirtschaft und Gesellschaft beigetragen werden.

Limitationen: Die Entfaltung von Wirkung auf dem Kapitalmarkt ist hochkomplex. Die Messbarkeit dieser Wirkung stellt bisher eine große Herausforderung dar. Daher ist eine transparente Berichterstattung über die angewandten Wirkungskanäle sowie ein Erwartungsmanagement bei Investor:innen unabdingbar, da es auch unterschiedliche Ansprüche an die Wirkung Nachhaltiger Geldanlagen gibt.